Vor 90 Jahren begann man mit dem Selbstwähldienst.
Generalpostmeister Heinrich Stephan hatte 1877 das in den USA gerade erst erfundene Telefon* beim deutschen Reichstelegrafenamt eingeführt und der Fernsprecher wurde zunächst vor allem dazu verwendet, Telegramme zu übermitteln. Die Verbindungen bestanden nur zwischen den Postämtern. Firmen und Haushalte verfügten zunächst nicht über ein Telefon. Natürlich ist alles Neue, das noch in den Kinderschuhen steckt, anfällig für Störungen. Lange Wartezeiten, knackende, unverständliche Telefonate, oder auch hin und wieder: Falsch verbunden.
Es war strikt vorgeschrieben, dass sich das Fräulein vom Amt immer mit der gleichen Grußformel meldete: „Hier Amt – was beliebt?“ Für die Ausbildung sollten die Frauen aus „gutem Hause“ sein, gepflegte Umgangsformen haben, ledig und evtl. sogar noch eine Fremdsprache sprechen. Damit begann auch das Zeitalter der berufstätigen Frau, dazu gehörte auch das Berufsbild der Sekretärin. Sie wurden besungen und romantisch verklärt, aber trotzdem war es bald ein Knochenjob. Mit der rasch steigenden Teilnehmerzahl in Deutschland wurde immer mehr Personal benötigt, und zunächst nahm man sogar männliche Hilfskräfte hinzu. Die Arbeit musste im Stehen und bei erheblichem Lärm verrichtet werden. Verständlich, dass „Telefonist“ bald nicht mehr der begehrteste Traumjob war. Nun wurden Frauen in Hamburg und Berlin ausgebildet, und bald echauffierten sich Männer darüber, dass die Frauen durch den eigenen Verdienst auch immer unabhängiger von den Männern wurden. Im Reichstag ging es 1894 sogar hoch her: Unterstaatssekretär Fischer versuchte die Wogen zu glätten, in dem er die Beschäftigung von Telefonistinnen damit begründete, dass „einmal, weil durch die höhere Stimmlage des weiblichen Organs die Schallwellen leichter verständlich sind, und sodann, weil der Teilnehmer friedlich wird, wenn ihm aus dem Telephon eine Frauenstimme entgegentönt“.
Doch was hat ein Bestatter mit einem Fräulein vom Amt zu tun?
Damals wurden die Anschlüsse noch von Hand gesteckt und verbunden, aber weil der amerikanische Bestatter Mr. Almon Strowger nach Überlieferungen glaubte, dass manche der „Fräuleins vom Amt“ bei der Vermittlung seine Konkurrenten bevorzugten, ersann er die Möglichkeit selbst eine Verbindung aufzubauen – den Selbstwähldienst.
Almon Strowger begann 1888 mit der Entwicklung eines automatischen Telefonvermittlungssystems. Am 10. März 1891 ließ Strowger dieses Vermittlungssystem (Automatic Telephone Exchange) unter der US Patent No. 447,918 eintragen. Heute gibt nur noch die Telefonauskunft, wo noch mit menschlicher Hilfe ein Anschluss verbunden wird.
* Es gab mehrere frühe Erfinder
Unter anderem Innocenzo Manzetti, Antonio Meucci, Tivadar Puskás, Philipp Reis, Elisha Gray und Alexander Graham Bell. Von diesen frühen Erfindern hatte jedoch nur Bell die organisatorischen Fähigkeiten, das Telefon über die Labor-Versuchsapparatur hinaus als Gesamtsystem zur Marktreife zu bringen.
Über den Beruf „Fräulein vom Amt“ gibt es einen gleichnamigen Titel von 1993, herausgegeben von Helmut Gold & Annette Koch im Prestel Verlag, reich an informativen Texten & Bildmaterial zu diesem ausgestorbenen Beruf. ISBN 3-7913-1270-7
Vielen Dank für den Buchtipp! 🙂