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Liebes Tagebuch oder Quatsch mit Soße

Walter Bosch

Heute bin ich mal wieder ziemlich auf die Fresse gefallen. Hab nämlich eine Frau mit Bäuchlein gefragt, ob sie sich nicht hinsetzen mag. Also in der Bim, quasi- einmal leiwand sein, ihr meinen Platz frei machen. Höflich statt ignorant, wollte ich sein und so. Hat man mir ja so beigebracht- sprich Verdienst der Erziehungsberechtigten, vielleicht auch Lehrer und so. Werd dann heute meiner Mutter lieber nicht auf die Schulter klopfen. Muss ihr ja noch irgendwie erklären, wieso ich jetzt eine blaugrüne Wange habe. Als ich dann versucht habe, dem offensichtlich Uniformierten mit Blindenhund über die Straße, genauergesagt über den Zebrastreifen zu helfen, hat dieser mich wutentbrannt und nicht nur sprichwörtlich vor den Streifen noch in zwei Hälfte zerissen. Offensichtlich waren für mich die 3 Punkte auf dem gelben Abzeichen auf seiner Brust und die weiße Leine zum Schäferhund. Die verschlissenen Hosenbeine werde ich wohl still und heimlich nähen oder mit einem coolen Patch versehen. Nach einem fast tiefgründigen Gespräch mit mir selbst bin ich ja eigentlich zu dem Entschluss gekommen, dass es für heute reicht. In Downtown Meidling traf ich beim Billa meines Vertrauens vor der Tür einen Bettler samt Hund. Als verkennender Hundeliebhaber beschloss ich gegen meine Vernunft dem mitbettelnden Tier eine Dose Hundefutter zu spendieren. Bewaffnet mit meiner verschlissenen Hose, meiner grünblauen Wange, einer Leberkassemmel und der Hundefutterdose trat ich dem bärtigem Mann entgegen. Er musterte die Dose kurz, dann sprangen seine Augen rüber zur Leberkassemmel und augenblicklich fing er an zu schmatzen. Dieses grunzende, sabbernde Wesen griff blitzartig an und schnappte sich die Semmel. Ich war baff und vollkommen irritiert, stand mit offenem Mund da und ließ es über mich ergehen. Hab mich dann endgültig aus dem Rennen genommen und mich erneut in der Bim ein wenig ausgestreckt. Die harten Gitarrenriffs aus meinem Sony Discman entspannten mich für genau 5 Sekunden. Ich wollte gerade loslegen und headbangen, als mich eine leicht angerunzelte Gestalt anstupste. Vollkommen verdutzt schenkte ich ihr ein “gegendentagverlaufendes” charmantes Lächeln, löste mich von der Musik und lauschte der Melodie ihrer Worte. Im Glanz der Beverly Hietzing Atmosphäre sagte sie: Jungchen, lässt du mich mal eben Platz nehmen? Fluchtartig sprang ich, wie von der Tarantel gestochen, auf und überließ der rustikalen Dame meinen Platz. Ausser ihr und mir war die Bim allerdings unbesetzt, dies fiel mir erst jetzt auf. Anstandslos wünschte ihr noch einen schönen Abend. Sie grinste nur und starrte auf meinen Po. Am Fußmarsch nach Hause dachte ich mir folgende Geschichte für meine Mutter aus: Beim Versuch, die Bim zu erwischen, stürzte ich. Ein Ball hat meine Wange geküsst und sonst geht´s mir eigentlich gut. Liebes Tagebuch, vielleicht könntest du diesen Tag aus meinem Gedächtnis streichen, wäre für die Ewigkeit wahrscheinlich besser so : )

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