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Der Ritter der mit links kämpfte

von Luca Klein, 13 Jahre

Ritter Leonard hatte sein Schwert das dritte Mal nun mit einem Messer geschärft. Trotzdem war er immer noch unzufrieden. Bald fand der große Ritterkampf statt und er freute sich darauf schon riesig. Würde er wohl einer der tapferen Ritter sein, die von dem Volk bejubelt wurden, wenn sie durch das Tor in das große Schlachtfeld mit ihren Pferden galoppierten?

Sein Freund, der Ritter Rudolf von Altenberg, kam zu ihm. Er war genauso aufgeregt wie Leonard und zog ihn auf die Beine.

„Leonard, komm schon! Oder willst du der Letzte sein?“

Die beiden Jungen beeilten sich, von Leonards Burgstübchen, das sich ganz oben befand, zu der Bibliothek zu kommen, die zwei Stockwerke weiter unten lag. Mit vor Aufregung zitternden Händen öffnete Leonard die Tür. Als er die Tür aufschnappen ließ und sie quietschend zur Seite wich, starrte er in ein auf ihn gerichtetes hellblaues Augenpaar. Es war eine junge Frau. Ihre kastanienbraunen Haare hatte sie locker hochgesteckt. Sie trug ein braun-weißes Gewand, das mit einer um die Hüfte gewickelten Schnur zusammengebunden war

„Guten Tag, Miss …“ Leonard machte eine Pause, er kannte ihren Namen ja gar nicht. Für einen guten Eindruck waren seine Chancen soeben deutlich gesunken.

“Ich heiße Miss Agnes! Ich freue mich natürlich, trotz kleiner Verspätung, euch zu sehen. Rudolf und Leonard, nehme ich an“, sagte sie und zwinkerte den Jungen freundlich zu. Rudolf nickte. Leonard war beeindruckt von dem netten Burgfräulein. Er stellte sich zu den anderen Jungen, die schon eifrig mit ihren Schwertern übten. Miss Agnes klatschte in die Hände. „Alle mal herhören, bitte!“ Sofort verstummten die klirrenden Geräusche der Schwerter und alle Kinder blickten auf. „Wie ihr bereits wisst, gibt es bald ein besonderes Ritterfest hier auf Schloss Eulenspuk. Jeder,der möchte, kann an den Wettbewerben teilnehmen. Wer das nicht möchte, hilft bitte seinen Freunden bei den Übungen.“

Alle Jungen hoben, durcheinander rufend, ihre Hände.

Miss Agnes nickte zufrieden. „Dieser Wettbewerb scheint mir mit vielen Rittern gefüllt zu werden. Bitte lasst uns sofort anfangen, wir haben nur wenig Zeit!“ Damit gab sie den Jungen ein Zeichen sich zu setzten. Die Kinder setzten sich schweigend auf ihre Plätze. Sie wussten, jetzt wurde es ernst. Wer einen schlechten Eindruck machte, durfte nicht an dem Kampf teilnehmen.

Miss Agnes zeigte mit ihrer Hand auf Leonard. Er kam nach vorne, stolz darüber, dass er als erstes ausgewählt wurde. Die Frau nahm sich ein Schwert und zeigte Leonard die richtigen Handgriffe.

Dann gab sie Leonard das Schwert. Er nahm es in die linke Hand und begann die Bewegungen der Frau nachzumachen.

Da riss Miss Agnes ihm das Schwert aus der Hand und rief: „Leonard! Du kannst doch nicht mit links kämpfen! Da kann der Gegner dich doch weghauen wie nichts. Setz dich sofort wieder!“

Leonard war geschockt, dass seine gerade erst liebgewonnene, Lehrerin so sauer war, dass er mit links kämpfte. Mit hängendem Kopf verließ er den Raum.

Rudolf folgte ihm. „Ach, Leonard“, sagte er, „komm schon, ist doch nicht schlimm. Wollen wir draußen vielleicht zusammen üben?“ „Ja, unbedingt!“ Leonard war erleichtert, dass sein Freund ihm beistand.

Rudolf übte mit Leonard einige Tage lang. Doch mit rechts zu kämpfen, fiel dem Jungen sehr schwer.. Dauernd rutschte ihm das Schwert aus der Hand.

Dann kam der Tag des großen Ritterkampfes. Rudolf hatte Leonard trotz der misslungenen Übungen angemeldet. Es gab kein zurück.

Als Leonard das große Feld mit seinem Pferd Mister Gras betrat, waren schon alle Teilnehmer auf dem Platz versammelt. Er nahm, wie gewohnt und ohne, dass er es merkte, das Schwert in die linke Hand. Das Burgfräulein, das oben am Bühnenrand stand, hatte nichts gemerkt. Der erste Gegner kam auf Leonard zugerast. Leonard holte mit dem Schwert aus und schlug zu, traf den Gegner aber nicht. Trotzdem purzelte dieser von seinem Pferd. Eine unsichtbare Kraft schien durch ihn hindurchzuströmen.

Da richtete sich das Burgfräulein sich auf und rief: „Leonard, du kämpfst ja mit links!“

Leonard sah auf seine Hand, in der er das Schwert hielt und schluckte. War er nun disqualifiziert?

Doch Rudolf eilte zu dem Burgfräulein hinüber. „Miss Agnes, lassen Sie ihn doch so kämpfen, wie er will.“

Leonard musste grinsen. Er kämpfte doch gut mit links! Alle Gegner werden gegen ihn verlieren.

Als Leonard noch zwei andere Kandidaten vom Pferd schleuderte, war Miss Agnes überzeugt: „Vielleicht ist es doch richtig, mit der Hand zu kämpfen, mit der man es am besten kann.“ Dem stimmten alle Burgfräuleins und Ritter zu.

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