3.7
(15)

Das wusste ich doch
von Rosemai M. Schmidt

Meine Tochter war knapp sechzehn Jahre alt, als sie eines Tages erklärte, sie werde zur Oberstufenparty gehen. Susanne war kein Partygirl und Disco interessierte sie nicht. Ihre Welt waren der Pferdestall, Heuballen und Mistkarren. Daher war ihr Wunsch überraschend.
„Oberstufenparty? Du bist aber noch nicht in der Oberstufe. Dürft ihr denn da schon hin?“
Ein mitleidiger Blick traf mich.
„Also echt! Ein bisschen Schminke, Haare hochstecken und entsprechender Fummel, dann geht das schon.“
Die Zahnrädchen in meinem Gehirn begannen zu rasen. Was hat sie vor? Gibts da jemand? War da vielleicht schon …?
„He! Sag was! Du guckst so …!“
„Wie gucke ich?“
„So nach Unerlaubnis.“
Ich musste lachen, wurde dann aber ernst. „Das sieht man mir also an?“
„Ja! Und wie. Aber die anderen dürfen auch hin, alle!“
„Jaaa, klaaar. Soll ich mal bei den Eltern rundtelefonieren?“
Ein vernichtender Blick traf mich. „Untersteh dich! Und warum willst du mir die Party nicht erlauben?“
„Das ist einfach zu spät und am nächsten Tag ist wieder Schule. Und überhaupt – wie willst du hin- und zurückkommen?“
Sie verdrehte die Augen. „Na, wie wohl? Hin mit dem Bus und zurück finde ich schon jemanden.“
„Auf keinen Fall! Du weißt, dass da auch Alkohol im Spiel ist.“
„Das ist verboten, das weißt du doch!“ Sie wich meinem Blick aus.
„Ebenso verboten wie zu meiner Zeit, ich weiß schon.“
„Och Menno, ich geh aber hin!“
„Nein, du bleibst!“
„Warum?“
„Du bleibst zu Hause! Ihr dürft noch nicht auf diese Party und basta!“
„DAS AKZEPTIERE ICH NICHT!“
Mit diesen Worten fegte meine Tochter hinaus und knallte die Tür so hinter sich zu, dass Gläser im Regal klirrten. Ich blieb sprachlos zurück. Doch dann begannen sich meine Gedanken zu ordnen.
Susanne hat ein feines Gespür für Unstimmiges. Sie kann nicht ertragen, wenn etwas vorgeschoben wird. Wenn sie sagt, sie akzeptiere das nicht, dann gibt es einen Grund dafür. Was ist an meiner Argumentation unstimmig?
Und dann kam ich mir selbst auf die Schliche Die Gründe für das Verbot waren vorgeschoben. In Wirklichkeit hatte ich Angst um meine Tochter und wollte nicht, dass ihr etwas passierte. Damit verbunden war ihr unterschwelliger Vorwurf, ich könne ihr nicht vertrauen. Puh! Da gab es Gesprächsbedarf.
Seufzend erhob ich mich und machte mich auf den Weg zu ihrem Zimmer. Ich klopfte.
„Komm rein!“
Ich öffnete die Tür und sah meine Tochter auf dem Bett liegen.
„Ähm! Also … erst einmal: Es geht gar nicht, so mit der Tür zu knallen.“ Ein bisschen mütterliche Autorität musste schon sein.
Ein Seufzer und verdrehte Augen signalisierten: ‚Okay, okay!‘
„Und …?“
„Darf ich mich setzen?“
Sie rückte ein wenig zur Seite und ich ließ mich auf der Bettkante nieder.
„Also, ich habe ein bisschen nachgedacht.“ Ich schaute auf meine hübsche Tochter hinab, die mit ihren langen dunklen Haaren aussah wie Schneewittchen. Ich schluckte. „Und dann bin ich draufgekommen, weshalb du das nicht akzeptieren konntest.“
Interessiert richtete sie sich ein wenig auf. „Und warum?“
„Na ja, weil der Grund für mein Verbot nicht der war, den ich vorgegeben habe.“
Sie musste sich sichtlich bemühen, nicht zu grinsen.
„Und welcher war der richtige?“
„Ich hatte einfach Angst, dass dir etwas passieren könnte.“
„Eben! Das wusste ich doch.“ Jetzt grinste sie übers ganze Gesicht.
Ich glaube, ich grinste auch. „Lass uns überlegen, wie du es anstellen kannst, hinzugehen, wenigstens eine Weile und wie du heil wieder nach Hause kommst.“
„Ach, weißt du, eigentlich bin ich gar nicht so scharf darauf. Die Mädchen aus meiner Klasse, die dahingehen, finde ich nicht so cool und außerdem habe ich morgen Mathearbeit.“
Jetzt lachte ich schallend. „Du bist eine Marke, wirklich!“
„Von wem habe ich das wohl?“
Der Abend dieses Tages bleibt mir unvergesslich. Wir saßen zusammen auf meinem Bett und kamen vom Hölzchen aufs Stöckchen. Ein Gespräch unter Frauen eben.

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