4.2
(5)

Paris

An jeder Ecke Souvenirläden, und in jedem das gleiche Equipment. Eifeltürme in verschiedensten Farben und Größen, mit Licht und ohne. Auf Postkarten abgebildet, als Schlüsselanhänger, oder auf T-Shirts aufgedruckt. In großen wie in kleinen Läden, aber auch auf Decken direkt vom Straßenverkäufer.
Man wird quasi damit überschwemmt, und ich frage mich, wer sich so einen Kitsch wohl kaufen mag. Aber egal wohin ich schaue, die Geschäfte boomen regelrecht.
Und auch wir halten an dem ein oder anderen überlaufenden Stand und begrabbeln den ein oder anderen Eiffelturm.
„Möchtest du den?“, fragt mich mein Mann, als ich wieder ein besonders scheußliches Exemplar in Blau, in die Hand nehme.
„Dein Ernst?“, frage ich, und rolle die Augen.
Wäre es eine Nachbildung aus Eisen und Nieten im Kleinformat, hätte es vielleicht tatsächlich mein Interesse geweckt. Aber diese Nachbildungen aus Plastik und bunter Farbe haben so gar nichts mit dem Original zu tun!
„Hier!“ Mein Mann zeigt auf einen, der mit kleinen LCD Lampen hell erleuchtet wird.
„Der ist doch hübsch!“
Ich schüttel vehement den Kopf, und frage mich, ob einem das Urlaubshormon, auch schon mal die Sinne vernebelt.
Doch meinen Mann hat das Souvenir-Fieber schon gepackt und er beginnt mehrere Schlüsselanhänger auszusuchen.
„Was machst du da?“
„Für meine Arbeitskollegen!“, sagt er nur knapp und sucht weiter Eiffeltürmchen aus.
In Gold, Silber, Rot, Blau, Grün und tatsächlich auch in Bronze, was dem rostigen Original noch am ehesten nachkommt.
„Und du denkst, die werden sich darüber freuen?“
„Na klar!“, sagt er überzeugt, und sucht mit glänzenden Augen weiter. Doch ich kann mir nicht vorstellen, dass sich auch nur ein einziger Mensch wirklich über so ein Mitbringsel freuen kann.
„Wie wäre es denn mit Feuerzeugen, ich meine die sind wenigstens noch nützlich?“
„Ja, für die Raucher!“, sagt er abwehrend.
„Wie viele Anhänger soll ich denn jetzt nehmen?“, fragt er mich.
Kaufe drei, nehme vier steht auf dem Pappschild am Ständer.
„Wie viele seid ihr denn?“, frage ich zurück.
„Zehn!“
„Mm, entweder 6 + 2 und 2 extra, oder 9 +3, dann haste 2 übrig!“
„Okay, ich nehme 9 +3, dann behalte ich einen für mich, und einen für dich!“ Großzügig fordert er mich auf, mir einen auszusuchen.
Abwehrend schüttel ich den Kopf! „Schatz, du kennst mich, ich brauche so etwas
nicht!“
Doch mein Mann lässt sich durch meine negativen Energieströme überhaupt nicht irritieren und stöbert weiter.
Die Luft erscheint mir zunehmend stickiger und ich deute ihm an, dass ich draußen auf ihn warten werde.
Nach weiteren 15 min kommt er stolz mit einer Tüte Schätze heraus. Neben den 9 + 3 Schlüsselanhängern hat er noch ein T-Shirt mit der Aufschrift „I love Paris“, und ein Sturmfeuerzeug mit einem Totenkopf, der mit Paris an sich gar nichts zu tun hat.
Seine kindliche Freude erinnert mich an Kindheitstage, wenn wir uns auf dem Jahrmarkt für 50 Pfennig ein Los kauften und über einen Gewinn im Wert von 10 Pfennig freuten. Ich will ihm die Freude nicht verderben, und verzichte auf die Frage, was der ganze Quatsch den nun gekostet hat.
Zum Glück scheint die Kauflust erst einmal gesättigt, und wir streifen in den nächsten Tagen an den Souvenir-Läden vorbei.
Zwei Wochen später besuchen wir meine Eltern, und erzählen von unserer Reise.
„Un Marie? Watt häste dir mitjebrat vun ding Reise?“, fragt meine Stiefmutter im Vorgebirgsplatt.
„Nix!“
„Wie nix? Noch niddens son Souvenir als Andenken?“ Ich bereite mich innerlich
schon darauf vor, dass ich jetzt eine Anleitung darüber bekomme, wie man sich als richtiger Urlauber verhält, und verdrehe die Augen.
Da springt mein Mann schnell auf, kommt kurze Zeit darauf zurück und legt meinen Eltern, mir dabei zuzwinkernd, einen roten und einen grünen Eiffelturm Schlüsselanhänger auf den Tisch.
„Hier! Das haben wir euch mitgebracht!“ Ich weiß mein Mann hat nun auch seinen eigenen Anhänger geopfert, um mich aus der Schusslinie zu retten, und ich nicke ihm dankbar zu.
„Och ne! datt is ever nett, datt wär doch nit nödisch jewese!“, strahlt meine Mutter, und ihre Freude erscheint mir überraschenderweise wirklich echt.
„Isch nemm de rude, einverstanden Berndschen?“
Mein Vater nickt, und ich glaube, er denkt im Augenblick dasselbe wie ich: „Was für ein Kitsch… aber wenn’s Freude macht!“.

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