Zoff auf Bestellung
von Dominik Wulf
»Das hier wird dir guttun, versprochen«, sagte Celine und drückte die Tür zur Kneipe auf. Neben dem Geruch von Bier und Brezeln strömte uns ein Gewirr von Stimmen entgegen.
Ich tapste hinter ihr her, um den Anschluss nicht zu verlieren.
»Was zum Geier wollt ihr denn hier?«, fragte uns der Kellner, als wir eintraten.
»Halt die Klappe, Richie«, entgegnete Celine und zeigte dem Mann den Mittelfinger.
Das war also der Ort, an den sie ging, wenn sie wieder keine Lust auf ihren Freund hatte. Eine heruntergekommene Spelunke mit fragwürdigen Gestalten darin.
Ich setzte mich gemeinsam mit meiner besten Freundin an den Tisch. Vor mir lag das, was die Leute hier anscheinend als Speisekarte bezeichneten. Hätte man es mir nicht vorher gesagt, hätte ich es eher für einen Lappen gehalten, mit dem gerade eine Pfütze Bier aufgewischt wurde.
»Was willste haben?« Ein bärtiger Hüne trat an den Tisch und blickte auf mich herunter. In seiner Hand hielt er einen Block und einen angekauten Stift. »Mach hinne, ich hab noch andere Kunden.«
»Einen, ähm«, war alles, was ich herausbrachte, als ich auf den feuchten Lappen starrte.
»Einen verdammten ›Ähm‹ haben wir hier nicht, Mädchen. Bestell was, oder verpiss dich.«
»Was hast du gerade zu meiner Freundin gesagt?« Celine sprang von ihrem Holzstuhl auf und donnerte ihre Fäuste auf den Tisch. Dann zeigte sie mit dem Finger auf den Kellner und schaute mich an. »Du sagst dem Kerl jetzt, dass er nicht so mit dir reden soll, Chloe. Sofort.«
Ich sollte was? Mich mit einem Mann anlegen, der beinahe doppelt so groß war wie ich?
»Aber das kann ich nicht.«
Der Riese lachte, sodass die Scheiben jeden Moment zu zerbrechen drohten. »Püppchen, das üben wir noch mal«, sagte er und stapfte zur Theke zurück.
»Bekommen wir jetzt gar nichts zu essen?«, fragte ich meine Freundin. Mein Magen krampfte sich zusammen, als ich den Kellner auf seinem Rückweg beobachtete.
»So auf keinen Fall.« Celine seufzte. »Deshalb wirst du jetzt zu dem Kerl hingehen, um dir verdammt nochmal etwas zu Essen zu holen und ihm ordentlich die Meinung zu geigen. Dafür sind wir schließlich hier.« Sie wies mir die Richtung, in die ich aufbrechen sollte. Ihr Gesichtsausdruck verriet mir, dass ich lieber keine Widerworte geben sollte.
Ich stand auf und vergrub die Hände in den Taschen. Ich versuchte, auf den Boden zu schauen und die Blicke der Menschen zu ignorieren, die mich auf meinem Weg anstarrten.
»Entschuldigung.« Ich tippte dem Riesen an den Ellenbogen. An seine Schulter kam ich nicht heran.
Der Mann drehte sich um. »Was willst du?« Seine Stimme dröhnte mehr als zuvor.
»Könnten Sie …«
»Könnte ich was, verdammt noch mal? Nerv mich nicht, Püppchen. Du verstehst wohl nicht, wo du hier bist«, sagte der Bärtige.
Die einzige Möglichkeit, an Essen zu kommen, war wohl, den Mann zur Rede zu stellen. Celine hatte anscheinend recht. Was für ein merkwürdiger Ort, an dem wir waren.
»Ich will, dass du mir etwas zu Essen gibst, Mistkerl«, brach es aus mir heraus.
Wo kam auf einmal diese Energie her? Hatte ich den Kerl gerade wirklich angeschrien? Das war dann wohl mein Ende. Kein schöner Abgang.
»Mistkerl?« Der Kellner lachte erneut. »Geht doch, Mädchen. Für den Anfang gar nicht schlecht. Auf dem Klo hängt eine Liste mit Beleidigungen. Vielleicht findest du da eine, die noch besser zu mir passt. Hier haste was«, sagte der Großgewachsene und drückte mir einen Teller mit einer Ofenkartoffel darauf in die Hand.
Hatte ich es geschafft? War ich nach diesem ›Angriff‹ meinerseits noch am Leben?
Eine Ladung Energie kam in mir auf. »Ich kann Kartoffeln nicht ausstehen. Gib mir gefälligst was Ordentliches«, legte ich nach.
»So gefällt mir das, Kleines.« Ich spürte etwas auf meiner Schulter. Es war Celines Arm, den sie um mich gelegt hatte. »Wusste ich doch, dass du was auf dem Kasten hast«, sagte sie. Ihr Blick wanderte zum Kellner. »Und du machst mir gefälligst jetzt einen Drink fertig.«
»Aber gern, Eure Majestät.« Der Mann lachte erneut und ging in die Küche.
Kurze Zeit später erhielten wir unser Essen und verspeisten es. Noch vier Stunden unterhielten Celine und ich uns über Gott und die Welt. Es tat gut, meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Auch die Auseinandersetzung mit dem Kellner wirkte.
»Siehst du, ich habe dir doch gesagt, dass der Laden super ist, um mal den Stress abzubauen. Statt sich mit Leuten zu streiten, die gar nichts mit deinen Problemen zu tun haben, kannst du hier so viele Menschen anpöbeln, wie du magst«, sagte Celine und hob auf diesen Spruch ihr Glas in die Luft.
Wir schnappten die Sachen und standen von unserem Sitzplatz auf. Celine konnte es sich nicht nehmen lassen, beim Verlassen etwas von sich zu geben: »Wir sind weg, ihr Loser!«
»Kommt bloß nicht wieder!«, erwiderte der Hüne.
Draußen angekommen, drehte ich mich noch einmal um und blickte an der Kneipe hinauf.
›STREITPUNKT. Lass die Sau raus!‹, blinkte es in Neonfarben an der Hauswand.
»Das machen wir irgendwann noch einmal, wenn die Uni wieder Stress macht«, sagte ich glücklich zu mir und drehte mich um, um mit Celine Schritt zu halten.
Was für ein gelungener Abend.
Hat Spaß gemacht!
Sehr unterhaltsam, passender Schreibstil zur Situation und eine originelle Idee, wo finde ich diese Kneipe? 😃
Tolle Geschichte, prima Überraschungseffekt, gut geschrien und aufgebaut.
Super Geschäftsidee! In den Laden würde ich garantiert öfter gehen 👍🏻
Echt schön geschrieben, ein toller schreibstil bei dem man sofort in diese Welt abtaucht
Total cool. Motiviert mich, aus meiner Waschbär-artigen Komfortzone rauszukommen. Hätte echt Lust, Celine und Chloe mal dahin zu begleiten! 😀
Klasse Geschichte, prima Stil, klasse Überraschungseffekt. Top
Sehr nette kleine Geschichte 🙂
Klasse Geschichte ! Weiter so 🙃
Klasse geschrieben, gute Idee, super Stil, klasse Formulierung.
Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen.
Ich finde sie originell, witzig und sehr unterhaltsam.