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Gastbeibeitrag von Susan Summer

Traue einem Cowboy nicht

Um zu dem Ort zu gelangen, an dem mir „eines“ meiner peinlichsten Missgeschicke passiert ist, müssen wir eine Zeitreise machen. Genauer gesagt, achtundzwanzig Jahre zurück reisen. Bitte nicht anfangen zu rechnen!

Es ist Sommer, ich bin Mitte Zwanzig und verbringe meinen Urlaub mit einem Freund, in Almeria (Andalusien). Für heute haben wir uns etwas ganz Besonderes vorgenommen. Mit dem Bus geht es in die Sierra Nevada zu der berühmten Westernstadt, im Freizeitpark Oasys. Hier wurden Filme gedreht wie, „Die glorreichen Sieben,“ oder „Spiel mir das Lied vom Tod.“

Während der Fahrt dorthin, wird auch langsam klar, warum man gerade diesen Ort dafür ausgesucht hat. Es sieht aus, wie eine Wüste und es ist leider auch so heiß wie in einer Wüste. Hoffentlich lohnt es sich wenigstens.

Völlig verschwitzt – die Klimaanlage im Bus war nicht die Beste – werden wir jedoch angenehm überrascht. Die Reise hat sich gelohnt, kaum hat man die Anmeldeschlange hinter sich gelassen, ist man im „Wilden Westen.“ Pferdekutschen, Saloons, Häuser, sehen original aus wie im Western.

Vor einem der Häuser sind mehrere, müde vor sich hindösende Pferde angebunden. Brave Touri Pferde, auf denen jeder reiten kann. Also nichts für mich, da ich damals noch aktive Reiterin war, mutig und nur interessiert an Pferden, die genug Dampf haben. Schade, eigentlich habe ich gehofft, dass ich hier auch reiten kann.

Wir trennen uns von den Gruppen und schlendern allein durch die Western Stadt, schauen original Bilder mit den verschiedenen Filmszenen an, die in den Häusern aufgehängt sind und kommen genau rechtzeitig wieder heraus.

Eine Gruppe Touris starrt gebannt in die Richtung, aus der sich eine große Staubwolke nähert. Bei genauerem Hinsehen erkennt man eine Horde Cowboys, die in gestrecktem Galopp auf die Stadt zurasen.

Die Männer unter den Touris, werden blass vor Neid und die Frauen sacken fast in sich zusammen bei dem Anblick. Ich eingeschlossen, wobei ich, von den Pferden fasziniert bin und die anderen Frauen, von den gut gebauten Cowboys, die mit nacktem Oberkörper auf den Pferden sitzen.

Unter den Augen der dahinschmelzenden Touri Frauen lassen sie die Pferde steigen, galoppieren um uns herum und flirten, was das Zeug hält. Ich drehe mich um und stehe plötzlich dem bestaussehenden Cowboy gegenüber. Braun gebrannt, muskulös, stechend blaue Augen.

Aber ich interessiere mich nur für das Pferd, auf dem er sitzt. Ein fast schwarzer, prachtvoller Hengst, wild, mit langer schwarzer Mähne. Nervös tänzelt er um mich herum und von da an habe ich nur ein Ziel: Ich muss dieses Pferd reiten!

Ohne auf sein Flirten zu achten, frage ich den Cowboy auf Englisch, ob ich sein Pferd reiten darf. Aber der schüttelt energisch den Kopf und sagt lachend, dass das sein Pferd sei und nur er es reiten kann. Dann zeigt er auf die „Trantüten,“ die für die Touris bestimmt sind. Stinksauer, weil er mich so arrogant abblitzen lässt, drehe ich mich um und gehe in die andere Richtung. Das scheint ihn dann doch zu ärgern, denn er galoppiert mir hinterher und streckt die Hand entgegen, damit ich mich zu ihm in den Sattel schwingen kann. Immerhin traut er mir zu, dass ich mit ihm reiten kann. Besser als gar nichts, denke ich und sitze auch schon hinter ihm. Leider habe ich nicht bedacht, dass es auf einem echten Cowboysattel zu zweit ganz schön eng wird. Ich muss mich, ob ich will, oder nicht an dem muskulösen, braungebrannten Cowboykörper festhalten. Und dann geht es los.

In gestrecktem Galopp rasen wir, nicht um die Stadt herum, wie der „Cowboy“ kurz zuvor zu mir gesagt hat, sondern immer weiter ins Landesinnere, der Wüste. Im Rausch der Geschwindigkeit ist mir das egal ich genieße es auf diesem wundervollen Pferd zu sitzen. Solange, bis der Cowboy meine Hände nach unten drückt. „Spinnt der,“ denke ich, „der hat wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank, was hat der denn jetzt vor.“ Und schon spürt er eine harte Rechte, die direkt auf seiner Leber landet.

Er keucht und versucht es noch einmal. Jetzt bin ich stinksauer, beschimpfe ihn auf Deutsch und prügle solange auf ihn ein, bis er keuchend aufgibt und zur Stadt zurück reitet.

Dort angekommen will ich sofort vom Sattel springen, aber nein. Er hält mich zurück, gibt mir die Zügel, springt vom Pferd und sagt, dass ich jetzt allein durch die Stadt reiten darf.

„Gewonnen,“ denke ich und reite hoch erhobenen Hauptes durch die Stadt. Ich will gar nicht wissen, was der mit anderen Frauen gemacht hat. Das Pferd gehorcht mir, als ob es meines wäre. Glücklich galoppiere ich durch die Stadt unter den bewundernden Blicken einiger Touris, bis plötzlich „Mister Arrogant“ vor mir steht und auf einen Saloon in der Nähe zeigt.

Auf Englisch fragt er mich, ob ich mich getraue dort hineinzureiten. „Oder hast du Angst.“ „Klar traue ich mich,“ sage ich stolz. „Ich bin doch jetzt ein Cowgirl,“ denke ich und reite schnurstracks durch die beiden Schwingtüren. Hinter mir reiten noch drei weitere Cowboys in den Saloon. Jetzt gibt es kein Zurück mehr, denn in dem Saloon sitzt eine Horde Touris, die nun wild Beifall klatscht.

„Oh nein,“ denke ich, „das ist jetzt die Rache des Cowboy.“ Ich grinse, versuche alles, dass man meine Aufregung nicht bemerkt und will mich elegant vom Cowboysattel schwingen. Und dann passiert es.

Jeder der schon einmal in einem Cowboysattel gesessen, oder bei einem Film darauf geachtet hat, weiß, dass bei einem Cowboysattel vorne ein Knauf ist und genau der wird mir zum Verhängnis.
Ich will mich also elegant aus dem Sattel schwingen und bleibe mit meinem Trägertop im Sattelknauf hängen. Das Top gibt den Kampf auf, reißt entzwei und ich stehe im Blitzlichtgewitter, im BH, vor den jubelnden Touris, die alle aufgestanden und die Kameras gezückt haben. Damals gab es „Gott sei Dank“ noch keine Handys, sonst wäre ich garantiert bei YouTube gelandet und hätte bestimmt einige Klicks und Likes bekommen.
Ich reiße mich zusammen, tu so, als ob das zur Show gehören würde, knote mein Shirt zusammen und stolziere mit dem Pferd am Zügel aus dem Saloon, wo mich die Cowboys grinsend und applaudierend in Empfang nehmen. Offensichtlich hat auch ihnen die Show gefallen.

„Mister Arrogant,“ drücke ich die Zügel in die Hand und stampfe wütend davon.

Wenn einer der Leser, ich hoffe doch, dass sie gelesen wird, diese Geschichte liest und zufällig damals einer der Touris war:

„Bitte vernichte die Bilder!“

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